Medellín: Arm und reich dicht nebeneinander in der zweitgrössten Stadt Kolumbiens
Die Millionenstadt Medellín zieht uns schnell in ihren Bann. Ein Metrosystem mit Gondelbahnen, eine tragische Vergangenheit mit viel Innovationskraft, leckeres Essen und verschlossene Türen bleiben uns in Erinnerung.

- Alex & Fabienne
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Anreise
Unser Flug von Cartagena landete abends und wir fuhren mit dem Bus vom Flughafen, der ausserhalb liegt, durch einen Tunnel bis in die Stadt, wo wir auf Uber umstiegen. Da wir erst kurz vor 10 Uhr abends im Hostel ankamen, bestellten wir uns das erste Mal auf unserer Reise unser Abendessen. Der Lieferdienst Rappi ist wahnsinnig schnell und wir verschlangen das Essen in unserem fensterlosen Zimmer.
Free Walking Tour 1
Am Morgen fuhren wir früh genug zum Treffpunkt der Walking Tour, um noch zu frühstücken. Wir waren verwirrt, dass keine Menschen auf den Strassen unterwegs und die meisten Läden und Restaurants geschlossen waren. Auch bei allen Bäckereien standen wir vor verschlossenen Türen. Wir setzten uns dann in eine Cafeteria, wo wir erstaunlich leckere Rühreier mit Reis, Bohnen, Arepas und Getränk für knapp 4 CHF (für beide zusammen!) bekamen.
Juli führte uns dann während drei Stunden durch das leere Medellín. Sie klärte uns auf, dass am Montag nach Auffahrt ein Feiertag ist und fast alle frei haben. So konnten wir auch die Regierungsgebäude bestaunen, ohne die sonstige Menschenmassen. Wir machten immer wieder Stops, wo Juli für uns die Geschichte von Kolumbien und insbesondere Medellín zusammenfasste. Den Namen des berüchtigten Drogenbosses Pablo Escobar sprach sie nur ein einziges Mal aus. Ansonsten sprach sie von P.E. oder “ihr wisst schon wer”, aus Respekt vor der älteren Bevölkerung, die den Terror durch seinen Drogenkrieg mit Tausenden Toten und Vermissten miterlebt haben. Die bekannte Netflix-Serie zeichne ihn als eine Art Robin Hood, der den Armen half, was aber überhaupt nicht stimme. Leider sei in den letzten Jahren ein richtiger Kult um ihn entstanden. Dieser wird befeuert durch solche falschen Darstellungen und die Vergessens-Kultur in Kolumbien, bei der die Menschen die tragischen Vorfälle der Vergangenheit vergessen und lieber freudig nach vorne schauen wollen.
Nach der Tour holten wir uns eine Metro-Karte und fuhren in den Norden der Stadt, wo wir auf eine der vielen Gondelbahnen umstiegen. Diese sind auch ans Metrosystem angeschlossen und verbinden die ärmeren Barrios (Stadtteile) an den Bergflanken mit dem Rest der Stadt. Danach wanderten wir auf einen Hügel, auf dem eine Nachbildung eines traditionellen Dorfes gebaut wurde. Das entpuppte sich leider als eine Touristenfalle und die versprochene Aussicht wurde meist von Bäumen verdeckt. Wir liessen uns also schon bald von Uber zu einem Restaurant fahren, welches wegen des Feiertags geschlossen hatte. Wir fanden ein anderes, das uns noch kurz vor Schluss etwas zu essen servierte, bevor wir dann zurück zum Hostel spazierten und so noch ein wenig mehr vo Viertel Laureles sehen konnten.
Planänderungen und Free Walking Tour 2
Eigentlich wollten wir ein Museum über den Konflikt Kolumbiens besuchen. Es war aber wegen Wartungen die ganze Nacht geschlossen. Also fuhren wir direkt zum Parque Explora, eine Art Technorama, fanden aber nur Absperrungen. Also wollten wir den Botanischen Garten gleich nebenan besuchen. Auch dieser war geschlossen. Nach etwas googlen fanden wir heraus, dass viele öffentliche Einrichtungen an Feiertagen öffnen, dafür aber am Dienstag danach für Wartungen geschlossen bleiben. Zum Glück konnten wir die vorgebuchte Walking Tour durch die berüchtigte Comuna 13 vorverschieben. Also fuhren wir gefühlt wieder durch die halbe Stadt zurück, um zum Treffpunkt zu kommen. Trotz der Distanzen kommt man relativ schnell voran dank der überirdischen Metro.
Dort wurden wir von Juliet begrüsst. Sie wuchs selber in der Comuna 13 auf und führte uns zuerst durch einen eher nicht-touristischen Teil. Wir machten einige längere Stops, wo sie uns viel über die Geschichte dieses Viertels erzählte und dies immer wieder mit persönlichen Geschichten ausschmückte. Da die Comuna 13 am Rande der Stadt liegt und direkten Zugang zur Schnellstrasse an die Küste hat, wurde sie schnell zum Hauptumschlagplatz für Drogen von Medellín. Die Bevölkerung war sehr arm und Paramilitärs, Guerillas, Drogenkartelle und Gangs breiteten sich schnell aus. Ohne viel Aufmerksamkeit der Behörden bekriegten sie sich gegenseitig um Einfluss, Macht und die Kontrolle über einzelne Teile des Viertels. Die Bevölkerung wurde terrorisiert, mit “Schutzzahlungen” erpresst, umgebracht und entführt. Auch Julietd sprach den Namen des bekannten Drogenbosses nur ein einziges Mal aus.
In den frühen 2000ern versuchte die Regierung mehrmals Ordnung in der Comuna 13 zu schaffen. Dafür wurden unzählige Soldaten und sogar Kampfhelikopter aus den USA eingesetzt. Wegen falscher Anschuldigungen, die nicht einmal überprüft wurden, verloren viele Unschuldige ihr Leben. Diese Interventionen blieben aber aus verschiedenen Gründen erfolglos. Doch wie kommt es, dass die Comuna 13, einst der gefährlichste Ort auf der Welt, heute ein Touristenmagnet ist? Im Jahr 2002 wurde von der Regierung und dem Militär unter anderem die Operation Orión durchgeführt, mit dem Ziel die Paramilitärs, Guerilla und Drogengangs aus der Comuna 13 zu vertreiben. Leider verstiess diese Aktion auch gegen verschiedene Menschenrechte, da z.B 3x mehr Soldaten als erlaubt eingesetzt wurden. Es verschwanden dabei auch Unschuldige und dieses Vorgehen wird auch heute noch kritisiert. Neben dieser Intervention gab es Investitionen in den Bereichen Soziales, Wirtschaft, Kunst und Kultur, sozialer Städtebau und Mobilität. So wurde die Comuna 13 besser ans ÖV Netz angebunden mit Seilbahnen und Rolltreppen, damit die Integration in die Stadt gestärkt werden konnte. Diese Massnahmen zusammen mit dem verbesserten Gemeinschaftsgefühl und dem Engagement für verschiedenen Projekten stärkte den Stolz der Einwohner und verbesserte die Sicherheit und die Lebensqualität für alle in der Comuna 13.
Parque Explora
Am letzten Tag in Medellín blieben wir lange im Bett liegen und machten uns erst nach einem sehr späten Frühstück auf in die Stadt. Parque Explora, Versuch Nr. 2. Dieses Mal waren die Kassen geöffnet und wir verbrachten den ganzen Nachmittag im Museum. Im Aussenbereich gab es verschiedene physikalische Experimente und in vier Hallen je einen Themenbereich Zeit, Musik, Wahrnehmung und Dinosaurier. Kurz vor Schluss liefen wir noch durch das Aquarium, in dem es von den kleinen Clownfischen (Hallo Nemo!) bis zu gigantischen Flussfischen in riesigen Becken viel zu sehen gab. Das Aquarium wird auch für Forschungszwecke durch Wissenschaftler benutzt, ein wichtiger Grund warum wir uns für den Besuch entschieden. Leider ging uns die Zeit für einen dritten Themenbereich aus…
Viel zu früh am Morgen riss uns der Wecker aus dem Schlaf, damit wir es rechtzeitig zum Busbahnhof schafften. Wegen eines Erdrutsches fuhren nur um 6:00 Uhr Busse nach Jardín, wo wir die nächsten Tage verbringen werden.
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